Blaseninkontinenzformen

In der Medizin und Wissenschaft unterscheidet man zwei grundsätzliche Formen der Blaseninkontinenz, die wir im Folgenden erläutern.

Dranginkontinenz

Bei der Dranginkontinenz hat man einen häufigen Drang, zur Toilette zu gehen, obwohl die Blase noch gar nicht voll ist. Schon bei geringer Blasenfüllung wird fälschlicherweise das Signal „Blase voll" gegeben. Die Folge ist ein plötzlicher, kaum unterdrückbarer Harndrang (Urgency), der zu unfreiwilligem Harnabgang führen kann (Dranginkontinenz). Die Blase wird in diesen Fällen als „überaktiv" (englisch: overactive bladder, OAB) bezeichnet. Männer leiden dabei öfter an einer Urgency ohne Urinverlust (auch „dry OAB“ genannt) und  Frauen an einer Urgency mit Urinverlust (Dranginkontinenz oder „wet OAB“ genannt). Insgesamt wird die Dranginkontinenz mit zunehmendem Alter häufiger.

Mögliche Ursachen der Dranginkontinenz

In der 1. Phase, der Speicherphase, kann sich die Blasenmuskulatur nicht mehr entspannen und meldet ständig einen Harndrang an das Gehirn. Dies kann mehrere Ursachen haben:

  • Die Schleimhautaktivität der Blase und der Harnblasenwandmuskulatur kann z.B. durch immer wiederkehrende bakterielle Blasenentzündungen überaktiv sein.
  • Durch strenge Erziehung („Bevor du das Haus verlässt, gehst du nochmal zur Toilette. Es ist egal, ob du musst oder nicht!“) fehlt das Gefühl für das eigene Bedürfnis.
  • Man steht unter einem so starken emotionalen Druck, dass sich selbst die Blase nicht mehr entspannen kann (z. B. vor einer Prüfung o. Ä.).
  • Nervenschäden oder -reizungen, beispielsweise nach Operationen
  • Neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson und Alzheimer
  • Krankheiten, wie ein nicht ausreichend behandelter Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder ständige Reizungen der Blase, z.B. durch Blasensteine oder Harnwegsinfekte
  • Ein Hindernis am Blasenausgang verhindert den normalen Abfluss des Urins (z.B. eine vergrößerte Prostata oder eine Harnröhrenverengung). Es verbleibt ein Rest Urin nach der Entleerung in der Blase, der die Blase durch verschiedene Reize schneller wieder zur Entleerung drängen kann.
Stress-/Belastungsinkontinenz

Bei dieser Form kommt es zu einem unwillkürlichen Urinverlust, sobald sich der Druck im Bauchraum erhöht. Das passiert zum Beispiel bei körperlicher Belastung, wie dem Anheben oder Tragen schwerer Gegenstände ebenso wie beim Husten, Niesen, Lachen oder Pressen. Der Urinverlust kann dabei sehr gering sein (nur wenige Tropfen), aber auch im ganzen Strahl abgehen. In sehr ausgeprägten Fällen fließt der Urin schließlich bei jeder Bewegung, schon beim Stehen oder sogar im Liegen. Typischerweise verspürt der Betroffene keinen Harndrang, bevor der Urin ungewollt abgeht.

Diese Form der Inkontinenz hieß früher auch Stressinkontinenz. Die Bezeichnung ist allerdings missverständlich. Denn das Wort „Stress" bezieht sich in diesem Zusammenhang nur auf körperliche Belastungen, nicht auf seelischen Druck. Mediziner sprechen deshalb heute lieber von Belastungsinkontinenz.

Mögliche Ursachen der Stress-/Belastungsinkontinenz

Es gibt viele Ursachen für eine Stress- bzw. Belastungsinkontinenz. Wenn z.B. im Alter die Spannung des Bindegewebes durch den Hormonwechsel abnimmt, neigen Frauen zu dieser Form der Inkontinenz. Auch nach schwierigen Geburten und unzureichender Nachsorge können solche Beschwerden auftreten. Doch auch jede Schwangerschaft und Entbindung fordert den Beckenboden zusätzlich.

Frauen sind auch aufgrund anatomischer Gründe wesentlich häufiger von Belastungsinkontinenz betroffen als Männer, denn Frauen haben ein breiteres Becken und vergleichsweise schwächere Beckenbodenmuskeln. Zudem gibt es im weiblichen Beckenboden drei Durchtrittsstellen (für Harnröhre, Scheide und Enddarm), Männer haben nur zwei. Diese Öffnungen stellen „natürliche Schwachstellen" im Muskelgeflecht des Beckenbodens dar.

Auch Verletzungen oder Operationen im Beckenraum können das Gewebe des Beckenbodens strapazieren und schwächen. Die Bänder „leiern aus“, das Bindegewebe gibt nach. Letzteres wird auch durch hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren (mit-)verursacht. Auch eine gewisse Veranlagung für ein schwaches Bindegewebe ist in vielen Fällen vererbt.

Dagegen haben die Männer den Nachteil, dass Sie sich oft erst nach einer Prostata-Operation mit dem Thema Beckenbodenschwäche beschäftigen und so ihre Körperwahrnehmung deutlich reduzierter ist für diesen Bereich. Die Körperwahrnehmung braucht man allerdings, damit man den Beckenboden bewusst trainieren kann. Auch ist die Möglichkeit sich selber im Intimbereich zu betasten und sich damit eine Rückmeldung über die Anspannung des Beckenbodens zu verschaffen, deutlich schwieriger als bei einer Frau.

Folgende Krankheiten bzw. gesundheitliche Einschränkungen wirken sich ebenfalls als Belastung auf den Beckenboden aus:

  • chronischer Husten (Raucherhusten, COPD), da der Beckenboden ständig Druckspitzen aushalten muss
  • chronische Verstopfung, da durch häufiges Pressen immer wieder Druck ausgeübt wird
  • Übergewicht, das nicht nur schwer auf Knie und Hüfte, sondern auch auf dem Beckenboden lastet
  • anstrengende körperliche Belastungen (zum Beispiel ständiges schweres Heben im Beruf) stellen auf Dauer ein Risiko dar
Selbsttest zum Einschätzen der Blaseninkontinenz-Neigung: Trink- und Miktionsprotokoll

Jede Form einer Inkontinenz wird individuell sehr unterschiedlich empfunden. Während zwei feuchte Vorlagen pro Tag für einige Patienten unerträglich sind, bemerken andere Patienten diesen Urinverlust gar nicht oder haben sich damit abgefunden. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Testverfahren. Diese dienen einem Therapeuten für die objektive Wirksamkeit seiner Methode.

Trink- und Miktionsprotokoll

Über mindenstens 48 Stunden notieren Sie sich in einer Tabelle ihre Trinkmenge, das Gewicht von evtl. benutzten Vorlagen, die Toilettenbesuche (Uhrzeit), die Urinmenge, unwillkürliche Urinverluste, in welchen Situationen und wie stark ihr Dranggefühl war oder ob Sie vorsorglich zur Toilette gegangen sind.

Diese Tabelle hilft Ihnen ihren Verlauf zu objektivieren und Situationen zu erkennen, in welchen es zu gehäuftem Harndrang kommt.

Wie kann ich eine Blaseninkontinenz vermeiden?

Je weniger Übergewicht Sie haben, desto besser. Denn das überflüssige Gewicht drückt von oben auf die Beckenbodenmuskulatur.
Auch chronischer Husten und Verstopfung belasten den Beckenboden und begünstigen eine Inkontinenz.
Mit ballaststoffreicher Ernährung erzielen Sie regelmäßigen Stuhlgang ohne Pressen und entlasten das Schließmuskelsystem. Durch gesunde Ernährung und mehr Bewegung mit dem richtigen Sport sorgen Sie für Normalgewicht. Radfahren, Schwimmen, Nordic Walking oder Yoga entlasten und stärken den Beckenboden. Dagegen sind Sportarten wie Joggen, Basket-, Volley-, Fuß- und Handball, aber auch Trampolin springen eher ungeeignet. Durch den plötzlichen Richtungswechsel oder die Druckbelastung beim Joggen und Trampolin können diese Sportarten sogar den Beckenboden auf die Dauer weiter schwächen.

Trainieren Sie Ihre Blase, indem Sie dem ersten Drang nicht nachgeben und das Wasserlassen hinauszögern. Versuchen Sie mit Aufschubstrategien den Harndrang zu unterdrücken und suchen erst später die Toilette auf.

Trinken Sie ausreichend viel! Denn der Flüssigkeitsmangel führt zu konzentriertem Urin, der den Blasenmuskel reizt.

Was können Sie selber tun?

Beckenboden-schonend heben

Halten Sie den Druck auf den Beckenboden im Alltag möglichst gering.

Dazu ein paar Hilfen:

Durch eine gerade, aufrechte Haltung wird weniger Druck auf den Beckenboden ausgeübt als durch ein krumme. Das liegt daran, dass die „Mitspieler“ Rücken- und Bauchmuskeln den Druck auf den Beckenknochen umleiten.

Bei der Ausatmung wandert das Zwerchfell nach oben und die Organe folgen ein bisschen dieser Bewegung. Daher entlastet es den Beckenboden, wenn Sie während einer belastenden Situation ausatmen. Auf gar keinen Fall sollten Sie die Luft während der belastenden Situation anhalten. Atmen Sie möglichst entspannt.

Bevor Sie sich in eine belastende Situation begeben, spannen Sie ihren Beckenboden als „Sicherheitsgurt“ an.

So sollte man Zusammengefasst vor einer belastenden Situation an die 3-A-Regel denken:

  • Aufrichten
  • Ausatmen
  • Aktivieren (den Beckenboden als „Sicherheitsgurt“)

Wenn Sie also etwas Rücken- und Beckenboden-schonend anheben wollen, gehen Sie folgende Schritte durch:

  • Drehen Sie sich komplett zum Gegenstand
  • Gehen Sie möglichst nah an den Gegenstand heran
  • Stellen Sie die Füße mindestens hüftbreit auseinander
  • Beachten Sie die 3-A-Regel
  • Schieben Sie ihren Po als Gegengewicht möglichst weit nach hinten, sodass die Fersen während des Bückens auf dem Boden bleiben

Sofort-Hilfe beim Husten, Niesen

Mit der folgenden Hilfe können Sie sofort beim nächsten Niesen oder Husten ihren Beckenboden entlasten. Gerade wenn Sie unter Belastungsinkontinenz oder Stuhlinkontinenz leiden, können Sie ihre Probleme sofort minimieren. Aber auch zur Prophylaxe oder wenn Sie unter einer Senkung leiden, sollten Sie den Tipp sofort im Alltag umsetzen.

  • Setzen Sie sich auf einen Stuhl in einer entspannten krummen Haltung und husten 2-3 Mal.

Spüren Sie wie Ihr Beckenboden nach unten gedrückt worden ist. Kein Wunder, dass der Beckenboden da manchmal nicht mithalten kann!

  • Nun setzen Sie sich gerade hin und machen sich ganz groß. Sie können sich auch vorstellen, dass Sie an einem Faden am Kopf hochgezogen werden, wie eine Marionette. Schieben Sie ihr Brustbein stolz nach vorne/oben.
  • Bringen Sie nun Ihre Ellenbeuge vor den Mund und drehen sich mit dem Oberkörper möglichst weit nach hinten, oben. Der Kopf und der Ellenbogen folgen dieser Bewegung.
  • Jetzt husten Sie nochmal

Merken Sie den Unterschied? Der Druck wird jetzt über die Rücken- und Bauchmuskeln an den Beckenknochen umgeleitet, wodurch der Druck nicht mehr so deutlich zum Beckenboden schießt.

Versuchen Sie diese Hustentechnik immer mehr im Alltag umzusetzen.

Übrigens: auch die Weltgesundheitsorganisation WHO rät nicht mehr in die Hand zu husten, sondern in den Ellenbogen.